Die Familiengeschichte des schlesischen Schriftstellers Hans Lipinsky-Gottersdorf
Die Schlesische Zeit
Vermutlich verlassen nach dem Tod ihres Vaters 1657 seine Söhne Jan Otarz, Martynus und Adam ihre polnische Heimat, um sich im habsburgischen Schlesien, im Dreieck der Städte Kreuzburg, Konstadt und Pitschen anzusiedeln.
Die beiden jüngeren Brüder Martynus und Adam wählten sich Frauen der wohlhabenden Woisky-Familie zur Ehe.
Währenddessen heiratet Jan Otarz in 1. Ehe um 1665 vermutlich eine von Frankenberg aus Proschlitz.
Sieben Jahre später steht er wieder als Witwer und Vater von zwei kleinen Söhnen vor dem Traualtar und ehelicht am 2. Mai 1672 Anna Witwe Tarykon Gottartowskyn Studnitz Gieraltowska.
Die Familie der Anna von Studnitz Gieraltowska ,die urprünglich aus Mähren stammt, ist bereits seit dem 16. Jahrhundert in Jeroltschütz (Gieraltowice) ansässig.
Adelssitz war zunächst Dmowsky Zamek, es lag südlich, außerhalb des Dorfes, und kontrollierte die Kreuzung der alten Salzstraße Breslau-Krakau mit der Straße Kreuzburg-Pitschen. Ein anscheinend ziemlich geräumiges Gemäuer – Reste waren noch Anfang dieses Jahrhunderts vorhanden – das vielleicht noch aus der Zeit jenes Ritters Godehard stammte, dem Gottersdorf seinen Namen verdankt.
Es wurde im Zuge der Gegenreformation, die in diesem zum Herzogtum Brieg gehörenden Teil Schlesiens erst nach dem Tode des evangelischen Herzogs verspätet, aber mit all ihrer Grausamkeit ausbrach, im Juli 1692 durch kaiserliche Soldaten zerstört und samt dem Dorfe niedergebrannt, der Hausherr Jan Otarz mit den beiden inzwischen erwachsenen Söhnen aus 1. Ehe ermordet und an unbekannter Stelle verscharrt.
Nach der Zerstörung des Schlosses Dmowski und der Ermordung ihres Mannes lebte die Witwe Anna Studnitz Gieraltowska zusammen mit ihren beiden Söhnen Otar Moric und Jan Michal von 1692-1704 auf Proschlitz und Rosen. Im Alter von 21 Jahren heiratet Jan Michal 1695 auf Rosen die 36jährige Ursula Benita Studnitz Gieraltowska, Tochter des H’Rathen Geraltoffski auf Wonziz und Wyrwiz gestrengen Herrn und der Ursula Friedrichs von Frankenberg auf Sbitschin, der freien Standesherrschaft Wartenberg Landeshauptmann Tochter und Witwe des Johannis Adolphi von Hessen auf Stein und Weigelsberg‘. 1704 stirbt sie 45jährig und hinterläßt drei Kinder.
Endlich erfolgte 1707 die teilweise Rückgabe des Besitzes in Gottersdorf aufgrund des von Karl XII mit dem Wiener Hof ausgehandelten Altranstädter Vertrages, demzufolge den während der Gegenreformation geschädigten Protestanten aberkannten Rechte, Ämter, Privilegien und verlorener Besitz zurückerstattet werden mußte. Allerdings keineswegs in vollem Umfang.
Eine Dorfhälfte (Gottersdorf II) gehörte fortan der Stadt Kreuzburg. Ein weiterer Teil des ehemaligen Dmowski blieb als „Gottersdorf III“ landesherrlicher Besitz.
Eine Dorfhälfte war ihnen geblieben und gehörte wieder „den Herren Lipinsky“.
(Minne Lipinsky. Nachfahren ….. dto. 1984 Köln, unveröffentlichtes maschinenschriftl. Manuskript)
Die beiden überlebenden Söhne aus der Ehe mit Anna Studnitz Gieraltowska erbauten auf dem wüst gewordenen Gelände rechts des Kunzendorfer Wassers zwei Höfe – ein neues Dmowski, sehr viel bescheidener als das alte, für Otar Moric Lipinsky, nob. gent. Poray, Freibauer und Herr, geb. 5.9.1672, gest. 7.9.1712, in Proschlitz begraben, der unvermählt und ohne Nachkommen starb, und einen neuen Scholzenhof für Jan Michal Slawnikow Lipinsky Poray nob., geb. 4. 1. 1674 Dmowski Zamek, gest. 25.12.1725 in Gottersdorf-Erbscholtisei, bei dem nun wieder die Lokatoren- und Erbscholzenrechte lagen.
Unter seinen beiden Söhnen wurde der Besitz wieder in Dmowski und Erbscholtisei geteilt und blieb bis zur Vertreibung 1945 bestehen.
Im Laufe der Zeit sind vier weitere Lipinsky-Höfe in Gottersdorf hinzugekommen.
Auf dem Areal der Erbscholtisei wurde eine Schule eingerichtet und ein kleiner Friedhof angelegt.
Zum Grab Jan Michals, das in der Mitte des Friedhofs ein hoher wappengeschmückter Stein bezeichnete, gingen in späterer Zeit die Dorfbewohner ‚ihre Andacht zu verrichten‘, denn man wußte, „ es hatte etwas mit der Religion zu tun“ – es hatte sich ein schattenhaftes Wissen um die Ereignisse der Gegenreformation erhalten.
1708 verband sich Jan Michal in 2. Ehe zu Kalisz mit Barbara Elena Nalecz Korzeniowska.
In der neuerbauten Erbscholtisei in Gottersdorf, in der nun auch seine 3 Kinder aus erster Ehe lebten, erblickt am 22. Okt. 1710 Jan Andrzej Gotfrid Jirzi Lipinsky das Licht der Welt.
Als er zwei Jahre alt war, stirbt seine Großmutter Anna Lipinska am 10. März 1712, des ‚weyland Hern Johan Otakars Poray Lipinsky Witwe‘, im Alter von 77 Jahren in Proschlitz, wo sie seit der Zerstörung von Dmowski Zamek 1692 lebte. Sie wird mit Predigt und Gepränge auf dem Proschlitzer Friedhof begraben.
Nach längerer Zeit wird ihnen auf der Erbscholtisei im Juli 1721 ein weiterer Sohn geboren:
Christian Johan Lipinsky Poray. Später Konsistorialrat in Brieg und der Lausitz.
Mit 51 Jahren stirbt am 25. Dezember 1725 Jan Michal, Erbrichter und Scholtz hochedlen Geschlechts Poray Slawnikow. Mit Gepränge auf dem neuangelegten Familienfriedhof in Gottersdorf begraben. Sein hoher Grabstein trägt eingemeißelt die Wappenrose.
„Auf Spurensuche im Jahr 1995 entdeckten wir am Rande von Gottersdorf einen von alten Linden umsäumten Friedhof, auf ihm Gräber in kniehohem Efeu versunken.
Eine Grabstelle am Fuße einer uralten Eiche legten wir einen eufeuüberwucherten Grabstein frei und entdeckten tiefgerührt die Ruhestätte des Erb- und Gerichtsscholzen Adam Carl Friedrich Poray Lipinsky und seiner Ehefrau Eva Kabitz.
Es grenzte fast an ein Wunder, daß das Grab meiner Ur-Ur-Ur-Großeltern und die Gräber ihrer Vorfahren und Nachkommen die Wirren der letzten 270 Jahre überstanden haben.“
(Renate Wietschel. Das geheimnisvolle Bild. Beitrag zur Familiengeschichte des Familienverbandes Lipinski(y) Poray e.V., Biesow/Prötzel 2008, maschinenschriftl.)68 S.