Meine Böhmischen Vorfahren
Geschichte und Legenden meiner Vorfahren seit dem 10. Jahrhundert
Die nachfolgend erwähnten Geschehnisse und Daten sind aus der im Jahre 1984 vom Familienverband Poray Lipinsks(y) erarbeiteten Studie mit dem Titel „Nachfahren von Thomas Poray herbu Poray Lipinski, Erbherr auf Lostoja und Janina Rymska – nach Urkunden, Kirchenbuchauszügen, Familienpapieren, mündlichen sowie schriftlichen Auskünften“ zusammengestellt von Minne Lipinsky, Köln, April 1984, entnommen bzw. wurden teilweise durch eigene Forschungsergebnisse ergänzt. Diese Arbeit umfasst zwei Teile.
Teil 1 enthält die biographischen Daten mit Angabe des jeweiligen Fundortes
Teil 2 enthält die dem 1. Teil zugrundeliegenden Urkunden und Quellen aus dem Zeitraum von 1600 bis etwa 1800
Die Familiengeschichte meiner Großmutter und die Legenden ihrer Vorfahren führen weit zurück bis ins 10. Jh. nach Nordost-Böhmen.
Böhmen gehörte um 950 zu ziemlich gleichen Teilen den Przemysliden und den Slawnikiden, die während der Völkerwanderung in Nord-Ostböhmen sesshaft geworden waren und die Beide dort um ihre Vormachtstellung wetteiferten. Hauptsitz der Slawnikiden, so genannt, weil mehrere Slawnik in der Herrschaft folgten, war der Burgwall Lipice. Genau dort, wo die Cidlina in die Elbe mündet. Von hier aus lenkte Fürst Slawnik bis zu seinem Tod 981 die Geschicke seines Landes. An seiner Seite: Strzezislava, eine Tochter aus dem Geschlecht der Przemysliden, die ihm 8 Söhne schenkte:
Sobeslav, der seinem Vater nachfolgte,
Voitich (der spätere Adalbert Bischof von Prag),
Spitimir,
Pobraslav,
Borej,
Caslav und
Porej (der legendäre Spitzenahn unseres Familienverbandes Poray Lipinski(y)).
Im Beitrag „Die Slavnikiden – Das Ende eines Fürstentums im böhmisch-schlesischen Raum (995). Eine historische und genealogische Betrachtung“ beschreibt Heinz Kionka, Mitglied unseres Familienverbandes Poray Lipinsky(i) 1974, die Rivalität zwischen Slavnikiden und Przemysliden, bei der verwandtschaftliche und politische Beziehungen eine große Rolle spielten, wie folgt: „Als Verwandter des sächsischen Kaiserhauses – Slavnik II. galt als nächster „Enkel“ König Heinrichs I. – trachtete Sobeslav, letzter Fürst von Libice, nach der vollständigen Souveränität im böhmischen Raum. Deshalb sahen die Przemysliden auch die Beziehungen zum Polenherzog Boleslav Chobry sicherlich als die eines gefährlichen Widersachers an.“
Als dieser mit eigenem Heer Kaiser Otto III. bei einer Expedition gegen die Obodriten unterstützte, nutzten die böhmischen Streitkräfte die Abwesenheit Sobeslav aus und griffen am Wenzelstag, dem 28.9.995 unbemerkt und unerwartet den Hauptsitz der Slavnikiden, Libice, an und eroberten ihn.
Der bekannte Historiker dieser Zeit, Cosmas von Prag (1045-1125) schildert in seiner Chronica Boemerum, die Vorgänge, wie folgt: ´An einem Festtage nämlich drangen sie unvermerkt in die Stadt Lubic, wo die Brüder des heiligen Adalbert und die gesamte Besatzung gleich unschuldigen Schafen dem heiligen Messopfer beiwohnten. Jene aber brachen wie grausame Wölfe herein, mordeten Männer und Frauen bis auf das letzte Haupt, enthaupteten v i e r Brüder Adalberts mit all’ ihrer Nachkommenschaft vor dem Altar, zündeten die Stadt an ….. Es wurden aber in der Stadt Lubic im Jahre 995 f ü n f Brüder Adalberts getödtet und ihre Namen sind: Sobebor, Spitimir, Bobrazlav, Porey und Caslav.
Hier hat sich in der Chronik des Cosmas ein Irrtum eingeschlichen. Cosmas selbst schreibt von der Enthauptung von vier Brüdern Adalberts, nennt aber die Namen von fünf Brüdern, darunter Sobeslav, der damals in Polen weilte. Anwesend waren nur vier Söhne Slavniks und Brüder Adalberts, nämlich Spitimir, Bobraslav, Porey und Caslav. Dem Blutbad entgangen waren die Slavnikiden Sobeslav, der als letzter regierender Fürst mit seinem Heer bei Boleslav Chobry und Kaiser Otto III. in der Nordmark weilte, Bischof Adalbert, der sich auf einer Reise in Rom befand und der jüngste Sohn Radim, der spätere Erzbischof von Gnesen, welcher Adalbert nach Rom begleitete.
Damit ist die Genealogie der Slavnikiden keineswegs am Ende ….
Historiker und Genealogen beschäftigen sich seit Jahrhunderten immer wieder mit der Frage, ob eventuell bei der Ausrottung der Slavnikiden ein weiterer Angehöriger dieser Familie das Blutbad von Libice vom 28.9.995 überlebt hat und deshalb als Stammvater zahlreicher Nachkommen angesehen werden kann.
In einer Handschrift der Chronica Boemorum des Cosmas von Prag …. befindet sich im Anschluß an die Schilderung der Ermordung der Brüder des hl. Adalberts der handschriftliche Zusatz „Porey evasisse fertur“, d.h. Porey konnte entkommen.
Außerdem erwähnt der Krakauer Domherr Jan Dlugosz (1415-1480) im 2. Band seiner „Monumenta Polonia Historica“, daß sich Adalberts Bruder, Porey, zur Zeit des Blutbades, also am 28.9.995, zufällig ebenfalls am Hofe des Herrschers Boleslav in Polen befand, der ihm für das in seiner Heimat erlittene Unrecht eine neue Heimat geboten und ihn hoch entschädigt haben soll. …
Und in der Londoner Jubiläumsausgabe des Polnischen Wappenbuchs von Kaspar Niesiecki (1682-1744) wird festgestellt, daß Poraj bereits als Begleiter der Gattin Mieszko I., einer böhmischen Fürstentochter namens Dabrowka, nach Polen gekommen ist, und daß dort 3 Poraj-Söhne 3 Güter erworben haben.
Mieszko I. heiratete die böhmische Herzogstochter zwischen 963 und 966. Poraj ist also lange vor dem Blutbad von Libice, das 995 stattfand, in Polen gewesen und dort sesshaft geworden.
Er war Dabrowskas Vetter.
Auch Bartosz Paprocki (1540-1614) behauptet in „Herby Rycerstva Polskiego“ (Wappen der polnischen Ritterschaft) , Krakau 1584) auf den Seiten 455-471 u.a.
…. am Leben blieb nur der Poraj, der zu dem Zeitpunkt beim polnischen König diente …“
und
…. Poraj , der 3. Bruder des hl. Wojciech diente am Hofe von Boleslav Chobry, wo er auch Mitbestimmungsrecht hatte. Er stammte aus einer sehr großen Familie und bis zum heutigen Tag (1584) gibt es sehr viele Nachkommen, die diesen Namen tragen …“
Vielleicht kann es die vorstehenden Angaben erhärten, daß in dem Schloß-Capellenbuch von Schmardt bei Kreuzburg in Oberschlesien folgender Eintrag urkundlich festgehalten worden ist:
Gortatow: 3.8.1692 ( latein.Text )
…… Beim Brand des Schlosses Dmowsky im Juli von kaiserlichen Soldaten erschlagen und an unbekanntem Ort verscharrt:
Jan Ottakar v o n L i p i n s k y (57 J)
Pawl v o n L i p i n s k y (25 J)
Andreas v o n L i p i n s k y (22 J)
Nach der Legitimation von 1652 zu Wszowa durch den Herrn Ottakar v o n L i p i n s ky
alle drei hochedlen und uralten Wappens und Geschlechts des Poray S l a w n i k o w,
welcher zuvor aus Böhmen gekommen ist.“
Und schließlich sei auf die ausführliche Übersicht der Nachkommen Porajs in der Studie von Stanislaw Kozierowski (1874-1949) „ROD PORAJOW-ROZYCOW“ verwiesen, eine genaue und gründliche Dokumentation, an der man nicht ohne weiteres vorbeigehen kann.
Auf S. 76 heißt es hier:
„Lipinscy in Bieniun sind im XVI. Jh. ein bedeutendes Geschlecht in der Region Oszmiany/Litauen“
Überlebte Poraj, den das uralte Adelsgeschlecht Poray als seinen Ahnherrn betrachtet?
Emilian von Zernicki- Szeliga hat daran keinen Zweifel. In seinem 1904 in Hamburg veröffentlichten Buch:
„Die Polnischen Stammwappen – ihre Geschichte und ihre Sagen“ , S. 69, schreibt er:
„Poraj – In rotem Felde eine silberne, fünfblättrige Rose mit Butzen;
Helmschmuck: eine gleiche Rose.
Dieses Wappen stammt aus Böhmen. Dort führte dasselbe Slawnik, Herr auf Libicz ….
Er war vermählt mit einer Tochter des Herzogs Otto des Erlauchten von Sachsen,hatte einen Sohn: Slawnik, ebenfalls auf Libicz, vermählt mit Strzezyslawa, Tochter des Herzogs Boleslaw I. von Böhmen (935-67), von der er acht Söhne hatte. Von diesen wurden bei inneren Wirren fünf getötet. Die übrigen drei gingen nach Polen und zwar: Wojciech (Adalbertus), der 997 den Märtyrertod erlitt, – Radzyn oder Gaudius, Erzbischof von Gnesen 1000-1006, und Poraj. Dieser war schon mit der Prinzessin Dabrowka, der Schwester seiner Mutter Strzezyslawa und Gemahlin des Polenherzogs Mieczyslaw, 963 nach Polen gekommen, wurde von dem Herzoge reich mit Gütern beschenkt und pflanzte den Stamm Poraj fort, nach dem auch das Wappen so genannt wurde“.
Nach Aussage tschechischer Geschichtsschreiber (leider ohne Quellenangabe) nimmt:
Poraje, ein Sohn des Slawnik und ein Bruder des Bischofs Adalbert an den Feldzügen gegen die Slawen auf der anderen Seite der Oder teil’.
Gemeint sind die Feldzüge Ottos III. gegen die Obodriten im Jahr 995, an denen auch Porajes Bruder Sobeslav mit eigenem Heer teilnahm, während in Libice die gesamte Familie niedergemetzelt wurde.
„Der besagte Poraj lebte ohne Zweifel lange vor der Einführung des Wappen und des Adels“. … Unter den 25.000 adligen Familien Polens gibt es keine einzige, die in der Lage ist, ihre Abstammung ununterbrochen durch das Mittelalter bis auf ihren Gründer zurückzuführen …. Mehr als 200 polnische Familien führen das Wappen Poraj“
so der polnische Historiker und Genealoge S. Konarski, Paris.
Vielleicht handelt es sich hier um eine der vielen in späterer Zeit entstandenen Abstammungslegenden des polnischen Adels, wie sie auch für den tschechischen Adel typisch war.
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