Die Familiengeschichte des schlesischen Schriftstellers Hans Lipinsky-Gottersdorf
Die nachfolgenden Daten und Geschehnisse der Familiengeschichte des Hans Lipinsky-Gottersdorf entstammen einer im Jahre 1984 vom Familienverband Poray Lipinski(y) erarbeiteten Studie mit dem Titel „Nachfahren von Thomas Poray herbu Poray Lipinski, Erbherr auf Lostoja, und Janina Rymska nach Urkunden, Kirchenbuch- auszügen, Familienpapieren, mündlichen sowie schriftlichen Auskünften“
Zusammengestellt von Minne Lipinsky, Köln: April 1984, unveröffentlichtes maschinenschriftliches Manuskript.
Renate Wietschel, Biesow 6. Februar 2018
Die Familiengeschichte des Schriftstellers Hans Lipinsky-Gottersdorf möchte ich mit folgenden Worten aus seinem Aufsatz „Solidarität mit den Vätern“ aus dem Jahr 1978 einleiten.
„Traditionen sind nichts anderes als Erfahrungen unserer Väter und Vorväter, gewonnen in unzähligen vor uns gelebten und zu Ende gelebten Leben: im Siegen und Verlieren, im Mühen und Leiden, Lieben und Hassen, im immerwährenden Umgang miteinander als Mann und Frau, Väter und Söhne, Alter und Jugend, Untertan und Obrigkeit, und keineswegs zuletzt in der Begegnung des Einzelnen mit seinem Schöpfer und Gott.
Das Leben unserer Vorfahren war ein Leben mit der Bibel in der Hand.
‚Was geschieht, das ist zuvor geschehen, und was geschehen wird, ist auch zuvor geschehen‘.
Jede neue Generation muß diese Weisheit Salomonis an sich selbst und in der eigenen Zeit neu bestätigt gefunden zu haben“.
(Hans Lipinsky-Gottersdorf, Solidarität mit den Vätern. Vom Wesen der Familientradition im wissenschaftlichen Zeitalter. Veröffentlicht in: Der gemeinsame Weg (10), Nr. 2/1978, 25-28)
Erst durch einen Überblick auf das Leben und die Geschehnisse unserer Vorfahren über einen größeren Zeitraum begreifen wir den Sinn der Weisheit Salomons.
Das Eintauchen in die Familiengeschichte von Hans Lipinsky-Gottersdorf und in die Legenden seiner Vorfahren führt uns weit zurück bis ins 10.Jahrhundert nach Nordost-Böhmen.
Böhmen gehörte um 950 zu ziemlich gleichen Teilen den Przemysliden und den Slawnikiden, die während der Völkerwanderung in Nord-Ostböhmen sesshaft geworden waren und die Beide dort um ihre Vormachtstellung wetteiferten.
Hauptsitz der Slawnikiden war der Burgwall Libice, „dort, wo die Cidlina in die Elbe mündet“. Von hier aus lenkte Fürst Slawnik bis zu seinem Tod 981 die Geschicke Nordost- und Südböhmens.
An seiner Seite Strzezislava, die Tochter des Przemyslidenfürsten Boleslav I. von Böhmen, die ihm acht Söhne schenkte: Sobeslav, der seinem Vater nachfolgte, Voitich (später Adalbert, Bischof von Prag), Radim (später Erzischof von Gnesen), Spitimir, Pobraslav, Borej, Caslav und Porej.
(Rudolf Turek, Der Burgwall Libice – seine Bedeutung im Rahmen der polnisch-böhmischen Beziehungen des 10./11. Jahrhunderts. In: Slavia Antiqua, Tom X, Xerokopie, Praha 1963, S.207-24)
Bis zu jenem unglückseligen Tag im September 995, als das Herrscherhaus der Przemysliden die Macht nicht mehr teilen wollte und das Geschlecht der Slawnikiden auslöschte.
Der Chronist Thietmar von Merseburg (975-1018) berichtet, daß bei diesem Überfall vier von acht Söhnen des letzten Fürsten Slawnik überlebten, weil sie außer Landes waren:
Adalbert, der später heilig gesprochene Bischof von Prag, der zusammen mit seinem Bruder Radim in Polen missionierte (Kirchlicher Gedanktag am 23.April),
Fürst Sobeslav, der sich zur Zeit des Überfalls mit seiner ostböhmischen Truppe im Heeresverband Kaiser Otto III. im Kampf gegen die aufständischen Wilzen befand, und der Bruder der drei Vorgenannten,
Poraj war bereits 963 mit seiner Tante Dambrowka, Tochter des Przemyslidenfürsten Boleslav I. an den polnischen Hof des Herzogs Mieszko I. geschickt worden. Hier erlebt er die 965 stattfindende fürstliche Hochzeit zwischen seiner Tante Dambrowka und dem Herzog Mieszko I. (Thietmar von Merseburg. Chronik. Neu übertragen und erläutert von Werner Trillmich. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1966)
Nach Aussage tschechischer Historiker „nimmt Poraj, ein Sohn des Slavnik und ein Bruder des Bischofs Adalbert an den Feldzügen gegen die Slawen auf der anderen Seite der Oder teil“.
Die nun der Szlachta angehörenden Poraje-Familien wurden von St. Kozierowski in „Ursprüngliche Besiedlung des Gnesener Landes“, S.56, Posen 1924, ‚ein mächtiges Geschlecht im Mittelalter genannt, das durch die Gnade des Herrschers in Großpolen sesshaft wurde‘.
Meist nach Kriegen verschenkte der polnische Herzog zahlreiche Güter an einflußreiche Geschlechter teils aus Dankbarkeit, teils, um sich solche für die Zukunft zu sichern.
Im Laufe der Zeit gelangten einzelne der polnischen Szlachta angehörenden Poraj-Familien durch Anhäufung größeren Besitzes, kriegerische und sonstige persönliche Auszeichnungen, verwandtschaftliche Verbindungen, namentlich mit dem Herrscherhaus, zu größerem Ansehen und Einfluß.“
Und weiter heißt es :
Vom polnischen Herzog reich mit Güter beschenkt, pflanzte er den Stamm der Poraje in Polen fort, nach dem auch das Wappen genannt wurde.
Das Wappenschild war fortan eine fünfblättrige weiße Rose auf rotem Schild.
Im Mittelalter ein mächtiges Geschlecht genannt, besitzen sie viele Dörfer auf dem weiten Gebiet von Gnesen nach Kalisz, Sieradz, Radomsk, Pinszow, Opatow, Sandomiersz und darüber hinaus und führten seit dieser Zeit auch die Namen der ihnen zugewiesenen Güter.
(Stanislaus Kozierowski. Ursprüngliche Besiedlung des Gnesener Landes. Posen 1924, S.56)
Das Wissen aus dieser Zeit um die Herkunft dieser Familien finden wir noch im 17. Jh. im
„Rechnungs- und Registerbuch der evangelischen Schloß-Capelle zu Schmardt bei Kreuzburg in Oberschlesien“ 1653-1738, S. 43-44, in folgendem Eintrag wieder:
„Gotartow: 3.8.1692 (lateinischer Text)
……. Beim Brand des Schlosses Dmowsky im Juli von kaiserlichen Soldaten erschlagen und an unbekanntem Ort verscharrt:
Jan Ottakar von Lipinsky (57 J)
Pawl von Lipinsky (25 J)
Andreas von Lipinsky (22 J)
Nach der Legitimation von 1652 zu Wszowa durch den Herrn Ottakar von Lipinsky alle drei hochedlen und uralten Wappens und Geschlechts des Poraj Slawnikow, welcher zuvor aus Böhmen gekommen ist.“
(Rechnungs- und Registerbuch der evangelischen Schloß-Capelle zu Schmardt bei Kreuzburg in Oberschlesien 1653-1738, S. 43-44)
Es waren Familien, die in der Geschichte Polens eine bedeutende Rolle spielten, höchste Ämter im Heer und in der Verwaltung inne hatten.
Bei der festlichen Einweihung der Universität Krakau 1364 wird die Familie Poraj Gruszczynski als eine der 12 vornehmsten Familien Polens erwähnt.
Sie waren zur Jagiellonenzeit am Krakauer Hof hohe Würdenträger, Großhetmane ihres Namens und Wappens und Krakauer Bischöfe und hatten regen Anteil an der Verbreitung ihres christlichen Glaubens.